Nach vielen Höhen und Tiefen habe ich das Geheimnis agiler Transformationen entdeckt: Open Space Agility. Open Space Agility bietet einen Rahmen, in dem zwischen zwei Open Spaces auf freiwilliger Basis, Experimente zu agilem Arbeiten durchgeführt und Lerneffekte für die ganze Organisation erzeugt werden.

Als Agile Coach war ich lange auf der Suche nach Einführungskonzepten und Methoden, die Lust auf agiles Arbeiten machen und Teams motivieren, selbstorganisiert zu arbeiten. Ich versuchte es mit Transformation Roadmaps aus skalierten agilen Frameworks. Ich versuchte es mit Ansätzen aus dem Management 3.0. Im Ergebnis war der Weg zur Agilität sehr mühsam.

2018 begegnete mir das Buch von Daniel Mezick zum Thema Open Space Agility. Laut dem Erfinder des Konzepts ist Open Space Agility eine sichere, pragmatische und wiederholbare Technik für eine schnelle und dauerhafte Einführung agilen Arbeitens.

Glücklicherweise hatte ich die Gelegenheit diesen Ansatz bei einem Kunden ausprobieren zu dürfen. Es war faszinierend, welche Ergebnisse wir in dieser Abteilung mit über 200 Mitarbeitern in einem streng hierarchisch organisierten Unternehmen erzielten. Eine Mitarbeiterin sagte: „Ich habe so Bock drauf! Und gehe regelmäßig mit einem Schmunzeln nach Hause.“ Und sie war nur eine unter vielen, die so reagierte.

In diesem Blogbeitrag geht es um folgende Fragen:

Was ist der entscheidende Fehler bei einer Agile Transformation

Wie funktioniert Open Space Agility im Detail?

Dabei erhalten Sie eine Schritt-für-Schritt-Anleitung

Der entscheidende Fehler bei Agile Transformation Roadmaps

2018 fand ich den entscheidenden Fehler bei agilen Transformationen. Die Agilisierung eines Unternehmens kann nicht von oben auferlegt werden. Sie muss vielmehr von innen, aus dem Unternehmen heraus entstehen. Wenn das für Sie nicht einleuchtend klingt, probieren Sie dieses zweiteilige Gedankenexperiment:

Teil 1: Nehmen Sie Ihre Armbanduhr ab, legen Sie sie an die andere Hand an und stellen Sie sich vor, Ihr Vorgesetzter sagt Ihnen, dass Sie die Uhr während der Arbeitszeit ab jetzt immer so tragen MÜSSEN. Wie fühlt sich das für Sie an? Aber das war doch nur eine kleine VERÄNDERUNG. Wie fühlt es sich wohl an, wenn ein Vorgesetzter seinem Team sagt, dass es ab heute von Methode X auf Methode Y wechseln MUSS?

Das passiert leider ständig bei Agilen Transformationen. Jedoch sollten alle Agile Coaches das Prinzip der Selbstorganisation aus dem Agilen Manifest kennen. Laut Hackmans Autoritätshierarchie sind selbstorganisierte agile Teams selbst führend, d.h. sie managen selbst ihre Arbeit (wer macht was?) sowie die Art und Weise, wie diese Arbeit ausgeführt wird. Ein selbstorganisiertes Team entscheidet also selbst, ob sie etwa nach Kanban oder Scrum arbeitet, wie lange ein Sprint dauert und was alles unter die Definition of Done fällt.

Teil 2: Denken Sie jetzt bitte an den Tag, an dem Sie Ihr erstes Smart Phone gekauft haben. Das Gerät hat möglicherweise Ihr Leben in vieler Hinsicht VERÄNDERT. Und Sie lieben es vermutlich immer noch. Und denken Sie darüber nach, wie sie sich fühlen, wenn sie es eine Woche nicht hätten.

Was ist der Unterschied zwischen der Uhr und dem Smart Phone? Es war Ihre Entscheidung! Entscheiden wir uns selbst für eine Veränderung, sind wir mit Herzblut dabei, engagiert und emotional an unsere Entscheidung gebunden. Daniel Mezick schreibt in einem Blog Beitrag in diesem Zusammenhang treffend:

„Imposing change does not work.

It is a complete waste of time and money.”

Dabei zitiert er das Who is Who der Agile Community, die zum selben Schluss kommen.

Was ist Open Space Agility?

Der Open Space Agility Ansatz beruht auf zyklischen Iterationen, die durch Open Space Meetings voneinander abgegrenzt sind. Zwischen den beiden Open Spaces führen die Beteiligten Experimente zu agilem Arbeiten durch, die im zweiten Open Space begutachtet werden. Open Space Agility nutzt die Kraft der Einladung, Open Space als grundlegendes Format, Spielmechanik, Storytelling für Führungskräfte und vieles mehr. Folgende Abbildung zeigt das Vorgehen im Überblick.

Open Space Agility

Open Space Agility verspricht nach Daniel Mezick folgende Vorteile:

  • Drastische Reduzierung der Coaching- und Schulungskosten bei einer agilen Transformation, weil deutlich weniger Coaches benötigt werden.
  • Echte, schnelle und dauerhafte agile Transformation, weil sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an der Transformation freiwillig engagieren und einbringen.
  • Höhere emotionalen Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen, weil sie im Open Space gehört und ihre Vorschläge ernst genommen und verwirklicht werden.
  • Höhere Zufriedenheit der Stakeholder, die sich typischerweise durch erfolgreiches agiles Arbeiten ergibt.
  • Zuverlässige, wiederholbare und beweisbasierte Erkenntnisse, weil die Ergebnisse und Implikationen der Transformation auf Basis von Experimenten entstehen.

In den folgenden Abschnitten lernen Sie das konkrete Vorgehen kennen.

Terminvereinbarung Agiles Arbeiten

Open Space Technologie als grundlegendes Element von Open Space Agility

Die Open Space Technologie ist eine Methode der Großgruppenmoderation, die ursprünglich Harrison Owen 1985 zur Strukturierung von Konferenzen entwickelte. Kennzeichnend ist die inhaltliche Offenheit. Daher gibt es keine vorbereitete inhaltliche Agenda, sondern nur eine grobe Agenda, die die Rahmenzeiten vorgibt. Im Open Space gibt es vier Prinzipien und ein Gesetz.

  • Wer auch immer kommt, es ist der/die Richtige!
    Es spielt keine Rolle, ob zwei oder 20 Personen in einer Session diskutieren. Die Grundannahme lautet: Jeder ist wichtig und motiviert. Wer sich für ein Anliegen oder Thema einbringt, hat eine Wahl getroffen. Bessere Mitstreiter sind in dieser Situation nicht vorstellbar.
  • Was auch immer geschieht, es ist das einzige, was geschehen kann!
    D.h. Ungeplantes und Unerwartetes ist meist kreativ und nützlich. Diesen Dingen Raum zu geben und neue Möglichkeiten zu entdecken, darum geht es im Open Space.
  • Wann immer es beginnt, es ist die richtige Zeit!
    Der Start der Workshoprunden ist zwar zeitlich festgelegt, dennoch ist der minutengenaue Start weniger wichtig. Wichtiger ist das richtige Gespür für den passenden Moment. Typischerweise beginnt eine Session, wenn sich eine genügend große Runde zusammengefunden hat.
  • Wenn es vorbei ist, ist es vorbei!
    Wenn eine Gruppe schnell ein für sie gutes Ergebnis erzielt, sollte man nicht zwanghaft weitermachen. Besser ist es, die Gruppenarbeit zu beenden und sich in andere Gruppen oder in die Kaffeepause zu begeben. Das Gesetz gilt aber auch andersherum: Wenn die Zeit nicht ausreichen sollte und die Gruppe das Anliegen noch nicht abschließend bearbeitet hat, sollte ein Termin zur Weiterarbeit im Rahmen des Open Space verabredet werden.

Daneben besagt das Gesetz der zwei Füße, dass jeder nur solange an einem Workshop teil nimmt, wie er bzw. sie etwas dazu beitragen kann oder von der Diskussion profitiert. Ein Wechsel in eine andere Gruppe oder gar die Formulierung eines neuen Anliegens ist jederzeit möglich.

In der Regel stellt sich der Ablauf wie folgt dar:

  • Zu Beginn sitzen alle Teilnehmer in einem Kreis, während der Veranstalter bzw. Sponsor die Teilnehmer begrüßt und Ziele der Veranstaltung erklärt.
  • Der Zeremonienmeister führt in das Thema und das Veranstaltungsformat ein und öffnet somit den Raum.
  • Jeder Teilnehmer kann als Session-Geber ein Anliegen zum Thema einbringen, das ihm „unter den Nägeln brennt“ und für das er Verantwortung übernehmen möchte.
  • In der Marktphase wird über Anfangszeiten und Räume unter den Session-Gebern verhandelt.
  • In der Gruppenarbeitsphase arbeiten die Teilnehmer selbstorganisiert, geleitet vom Gesetz der zwei Füße und den Open-Space-Prinzipien.
  • Die Session-Geber dokumentieren die Ergebnisse der Gruppenarbeit, damit sie den anderen Teilnehmern, die andere Sessions besuchen oder nicht am Open Space teilnehmen, in Form sogenannter Proceedings kommuniziert werden können.
  • In der Erntephase hängt der Zeremonienmeister die Ergebnisse aus den Gruppenarbeitsphasen zeitnah für jeden sichtbar auf. Jeder Teilnehmer kann sie kommentieren oder um die eigenen Sichtweisen ergänzen.
  • In der Vorhabenplanung beschließen die Teilnehmer gemeinsam konkrete Maßnahmen. So entstehen aus den Arbeitsgruppen und ihren Ergebnissen Experimente.
  • Beim Abschluss (aka Check-out) versammeln sich alle Teilnehmer erneut im Kreis. Der Zeremonienmeister stellt eine oder zwei Abschlussfragen, etwa wie die Teilnehmer den Tag empfunden haben oder was sie aus dem Tage mitnehmen. Gemäß dem Prinzip „vorbei ist vorbei“ ist der Open Space beendet, wenn alles gesagt scheint.
Der Open Space muss vor dem Hintergrund von Corona nicht an einem physischen Ort erfolgen, gleichwohl dies für die Interaktion und Kommunikation besser ist. Eine Durchführung kann auch mit Online-Kommunikationsmitteln, wie WebEx erfolgen, da diese Diskussionsgruppen (Break-out Rooms) ermöglichen.

Vorbereitungsphase für Open Space Agility

Bereits Konfuzius sagte: „In allen Dingen hängt der Erfolg von den Vorbereitungen ab.“ So ist es auch bei einer agilen Transformation nach Open Space Agility. In der Vorbereitungsphase werden

  • das Thema der Transformation verfasst,
  • eine Einladung an alle Mitglieder der Organisation gesendet,
  • die Führungskräfte vorbereitet,

das Vorhaben mit Storytelling, Expertenvorträgen oder anderen Impulsen in der Organisation bekannt gemacht.

Thema verfassen

Eine gute Formulierung des Themas der Agilen Transformation ist wichtig, da dies der zentrale Mechanismus ist, um zur Teilnahme anzuregen und die Diskussion in den Open Spaces zu fokussieren. Die Formulierung muss die Teilnehmer inspirieren und gleichzeitig spezifisch genug sein, um die Zielsetzung der agilen Transformation vorzugeben. Ein Thema könnte etwa lauten:

Thema
Wie können wir mit agilen Praktiken gemeinsam, besser teamübergreifend zusammenarbeiten?

Es bietet sich an, die Formulierung mit einer Pilotgruppe zu verproben, um sicherzustellen, dass das Thema verständlich und im Sinne des Ziels und Absicht der agilen Transformation formuliert ist.

Einladung versenden

Open Space Agility legt echte Freiwilligkeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Grunde. Getreu dem Open Space Prinzip „Wer auch immer kommt, es ist der/die Richtige!“ nehmen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus innerer Überzeugung und mit hohem Engagement an der Veranstaltung teil. Die Freiwilligkeit schafft gleichzeitig auch ein hohes Maß an Transparenz: Ideen und Menschen mit Leidenschaft dringen an die Oberfläche.

Echte Freiwilligkeit entsteht durch eine Einladung. Der Sponsor, eine ranghohe Führungskraft oder der Manager, der die Verantwortung für die agile Transformation trägt, lädt alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Organisation ein. Diese Einladung zeigt, dass das Vorhaben „genügend Macht von oben“ und damit auch eine entsprechende Bedeutung für das Unternehmen genießt.

In der Einladung muss der Sponsor

  • klar kommunizieren, was das Ziel des Open Space ist und
  • wie die Veranstaltung abläuft.

Man kann die Vorgehensweise beispielsweise in Form eines kurzen Erklärvideos erläutern. Der Sponsor versendet persönlich die Einladung per E-Mail oder filmt ein kurzes authentisches Video. Dabei unterstützt der Zeremonienmeister den Sponsor.

Vorbereitung der Führungskräfte

Die Vorbereitung der Führungskräfte ist nötig, damit diese einerseits das Vorgehen, insbesondere das Konzept der Freiwilligkeit bei Open Space Agility verstehen, und anderseits ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einstimmen können. Dazu hat sich das sogenannte A1 Meeting (Agile Manifesto Meeting #1) bewährt.

Dabei lädt der Sponsor alle betroffenen Führungskräfte ein und betont dabei, dass die Teilnahme freiwillig ist und dass das A1 Meeting eine Möglichkeit des experimentellen Lernens zu Agilität ist. Im ersten Teil des Meetings stehen das agile Manifest und die dahinterliegenden agilen Prinzipien im Fokus. Neben einer grundlegenden Einführung identifizieren die Führungskräfte in Gruppenarbeit zwei Prinzipien, die am schwierigsten in der Organisation umzusetzen sind. Der zweite Teil des Meetings ist ein Open Space mit dem Thema „Agilität in unserer Organisation“.

Mit diesem Format lernen die Führungskräfte nicht nur das Agile Manifest kennen, sondern auch das Open-Space-Format. Daneben kann die Haltung der Führungskräfte zu Agilität sehr authentisch beobachtet werden. Schon allein die Tatsache, welche Führungskräfte an diesem explizit kommunizierten freiwilligen Meeting teilnehmen und wie kontrovers das Thema im Open Space diskutiert wird, gibt Anhaltspunkte, wie bereit die Führungsmannschaft für die Transformation ist.  Entsprechende Coaching-Maßnahmen für die Führungskräfte können im Gespräch zwischen Sponsor und Agile Coach abgeleitet und während der Vorbereitungsphase durchgeführt werden.

Transformationsvorhaben in der Organisation bekanntmachen

Dem Sponsor und den Führungskräften obliegen die Aufgabe, ein Bewusstsein und eine Begeisterung für die agile Transformation bei der Belegschaft auszulösen. Dies lässt sich am besten durch Storytelling, also das Erzählen von eigenen Erfahrungen, bewerkstelligen.

Eine Veränderung heißt für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, eine Routine aufgeben zu müssen. Damit Menschen etwas Neues ausprobieren, müssen sie von diesem „Neuen“ überzeugt sein. Sie müssen daran glauben, dass sie selbst durch ihr kurzfristiges Opfer langfristig etwas gewinnen werden. Geschichten fördern diesen Glauben und steigern das Engagement bei Veränderungsprozessen. Schöne Plakate oder PowerPoint Präsentationen, die per Email versendet werden, sind hier erfahrungsgemäß wenig effektiv.

Gute Geschichten spiegeln immer einen Prozess oder ein langes Unterwegssein wider. Denken Sie beispielsweise an den Film „Herr der Ringe“. Der ungewisse Ausgang sorgt bei einem Film für Spannung, bei einer Transformation in Unternehmen für Besorgnis und Unruhe. Mithilfe von Storytelling lässt sich die Ungewissheit durch das authentische Erzählen eines positiven Ausgangs reduzieren.

Bei Open Space Agility entwickeln der Sponsor und die Führungskräfte gemeinsam mit dem Agile Coach authentische Geschichten zu unterschiedlichen Aspekten der Agilität. Es macht Sinn, dass die Führungskräfte in ihrer Vorbildfunktion selbst agile Methoden in der Vorbereitungsphase ausprobieren. Dadurch bietet sich sehr viel Potenzial zu Storytelling.

Weiterhin können Experten anderer Unternehmen zu einem Erfahrungsaustausch über Erfolge und Lessons Learned mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingeladen werden und Impulse für die anstehende Veränderung geben. Ebenso sind Trainings zu agilen Frameworks oder Aspekten

Open Space I: Was sollten wir ausprobieren, was uns einer Agilen Organisation näherbringt?

Im eintägigen Open Space I treffen sich alle Mitglieder der Organisation, die der Einladung gefolgt sind. In offenen Diskussionsrunden wird die zentrale Frage beantwortet: Was sollten wir ausprobieren, was uns einer Lösung der im Thema formulierten Fragestellung näherbringt? Ziel ist es, am Ende der Veranstaltung eine handhabbare Zahl an Experimenten zu entwickeln, die unmittelbar nach dem Open Space I gestartet werden können.

Es hat sich bewährt, Ergebnisplakate vorzubereiten, damit die Diskussion in den einzelnen Workshops strukturierter für die Proceedings dokumentiert werden.

Thema/ Fragestellung
Wie ist der Status Quo? Wie ist der zukünftige Zustand?
Was bringt uns zum Ziel? Was sind mögliche Hindernisse?
Woran merken wir, dass wir unser Ziel erreicht haben? Was können erste Schritte sein?
Wer macht beim Experiment mit?

Experimentierphase, das Herz von Open Space Agility

An den Open Space I schließen unmittelbar 60 bis 100 Tage des Experimentierens an. Dabei bilden sich selbstorganisierte Teams, die gemeinsam agiles Arbeiten, etwa die Arbeit in Sprints nach Scrum, ausprobieren. Je nach Experiment können sich hier auch Experiment-Gruppen über die Hierarchie- und Teamebenen hinweg bilden. Die Agile Coaches unterstützen dabei. Die Führungskräfte geben Rückendeckung und vermitteln ein sicheres Umfeld, in dem Scheitern ausdrücklich erlaubt ist.

Mit der Hilfe von agilen Coaches soll es gelingen, den Schwung und die Aufbruchstimmung aus dem Open Space I in die Phase des Experimentierens mitzunehmen. Daher soll jedes Experiment mit einem initialen Experiment-Kick-off starten, in dem das Experiment mit seiner Hypothese konkretisiert. Mit den Hypothesen werden die Annahmen zu Agilem Arbeiten operationalisiert und dann anhand vorher gewählter Erfolgskriterien überprüft.

Der Fortschritt aller Experimente kann für alle transparent elektronisch (etwa in einem Wiki) oder physisch (auf einem großen Kanban-Board) dargestellt werden.

Open Space II: Was haben wir gelernt?

Nach der Experimentierphase findet der Open Space II statt. Dort geht es darum, gemeinsam aus den durchgeführten Experimenten zu reflektieren:

  • Was hat sich bewährt und sollte intensiviert werden?
  • Was soll in eine dauerhafte Veränderung der Organisation münden?
  • Was hat sich nicht bewährt und braucht deshalb Alternativen?

Auch dieser zweite Open Space sollte mit Kommunikationsmaßnahmen begleitet werden. Wobei hier der Fokus auf Erfolgsgeschichten der Experimente und Lernerfahrungen gerichtet sein soll. Ziel aller begleitenden Kommunikationsmaßnahmen ist es, alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu erreichen und den neu gewonnen Spirit zu verbreiten.

Cool Down: Die Organisation kommt zur Ruhe und startet dann neu durch

An den zweiten Open Space schließt eine 30-tägige Abkühlungsphase an. Die Organisation gibt sich darin Zeit, zur Ruhe und Klarheit über die Ergebnisse des zweiten Open Space zu kommen.

In dieser Phase sollten die externen Agile Coaches auch das Unternehmen verlassen, damit die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die gewonnen Selbstorganisation auch spürbar wahrnehmen. Zudem gibt dies ein Gefühl des Fortschritts. Die Organisation muss nun selbst mit ihren Herausforderungen in den nächsten 30 Tagen klarkommen. Beim nächsten Zyklus kann dann wieder ein Agile Coach eingesetzt werden.

Zur Verstetigung sollte der Zyklus mindestens zwei weitere Male im festen Rhythmus wiederholt werden, etwa im Halbjahrestakt. Danach ist die agile Organisation typischerweise gereift. Im Anschluss wird die Organisation die Notwendigkeit eines Open Spaces selbst erkennen und durchführen. Zudem wird die Organisation zu diesem Zeitpunkt selbst teamübergreifende Retrospektiven durchführen, die einen ähnlichen Zweck erfüllen: Sich kontinuierlich verbessern.

Fazit

Bei unserem Kunden EWE Netz GmbH kamen 3 entscheidende Erfolgsfaktoren des Konzepts zum Tragen:

  • Einladung und Ermächtigung der Teams selbstorganisiert mit agilen Praktiken zu experimentieren
  • Folgen der Spielmechanik nach Open Space Agility mit einem attraktiven Ziel, klaren Regeln, Feedback (durch regelmäßige Treffen der Experimentiergruppen) und Freiwilligkeit
  • Unterstützung der Führungskräfte, die Zuversicht und Sicherheit für die Experimente gaben und durch Agile Coaches entsprechend vorbereitet wurden.

Dadurch entstand bereits im zweiten Zyklus ein Gefühl von Gemeinschaft und Zugehörigkeit, die Franz Süberkrüb, Leiter Abrechnung und Kundenservice der EWE Netz GmbH wie folgt kommentierte:

„Die Energie, die wir durch den OpenSpace erzeugen und die überall spürbar ist, finde ich grandios! Die Ergebnisse haben meine Erwartungen übertroffen – Wahnsinn, wie vielfältig, liebevoll und zielorientiert alle an den Experimenten gearbeitet haben. Die Kunst bestand darin, dass die Mitarbeiter freiwillig und aus eigener Überzeugung mitmachen.“ 

Quellen:
Hackman, J.R. (2002) Leading Teams. Setting the stage for great performances. Boston: Harvard Business School Publishing Corporation.
Mezick, D. J. (2013) Open Agile Adoption: The Executive Summary. Download: www.infoq.com/articles/open-agile-adoption-2/
Mezick, D. J. (2018) Invite Not Impose. Download: https://openspaceagility.com/invite-not-impose/
Mezick, D. J.; Pontes, D.; Pfeffer, J.; Shinsato, H.; Kold-Taylor, L.; Sasse, M.; Sheffield, M. (2019) Das OpenSpace Agility Handbuch: Organisationen erfolgreich transformieren: gemeinsam, freiwillig, transparent
Mezick, D. J. (2020) The A1 meeting. Schulungsunterlagen Open Space Agility.
Mezick, D. J.; Pontes, D.; Shinsato, H.; Kold-Taylor, L.; Sheffield, M.  (2015) The OpenSpace Agility Handbook
Owen, H. (2011) Open Space Technology – Ein Leitfaden für die Praxis.
Pfeffer, J. (2018) OpenSpace – Eine Einladung zur Veränderung. Download: https://os-agility.de/openspace-eine-einladung-zur-veraenderung/
Pfeffer, J.; Sasse, M. (2018) Damit Change-Projekte erfolgreich sind. Organisationsentwicklung leicht gemacht mit OpenSpace Agility. Download: www.projektmagazin.de/artikel/open-space-agility-definition-einfuehrung
Rupp, M. (2018) Storytelling im Change Management. Download: www.changement-magazin.de/beitraege/storytelling-im-change-management/
Dr. Dietmar Wiedemann

Dr. Dietmar Wiedemann

Dr. Dietmar Georg Wiedemann ist Vorstand in der Proventa AG. Sein Fokus liegt im Bereich Agile Project Management und Agile Transformationen. Als Agile Coach und ScrumMaster steht er für die stetige Verbesserung des Geschäftsnutzens unserer Kunden. Er ist Motor für Veränderungen und Anpassungen in der Organisation und lebt dabei die agilen Werte Fokus, Commitment, Respekt, Mut und Offenheit vor.